Die Denkfabrikantin - Wortdruck von Lotte Lorem
Donnerstag, 22. Januar 2009
Ein Plädoyer für...
Gerade habe ich meinen Philosophischen. Hat man ja manchmal. Aktuell sinniere ich mich kreuz und quer durch Lebensweisheiten und andere Blickwinkel auf das große Ganze. Ja, das klingt verworren und das ist wohl es auch. Deshalb verabschiede ich mich jetzt mal vom Komplizierten und halte mich an k.i.s.s. – keep it short and simple. Zumindest lasse ich es auf einen Versuch ankommen.

Konkret denke ich über folgende Frauenmagazin-Weisheit nach: „Wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich irgendwo ein Fenster“. Hat wahrscheinlich schon jeder mal an ein oder anderer Stelle genutzt. Gerne vielleicht als Seelenbalsam für einen liebeskummernden Freund – aber eigentlich, weil man einfach nicht wusste, was man sonst aus dem Trösterhut zaubern sollte. Oder dem Gejammer ein Ende setzen wollte. Ein Totschlagargument also.

Und das ist schade. Das wertet diesen Satz ab, schmeißt ihn in die Laber-Rhabarber-Schublade, in die er meiner Meinung nach gar nicht gehört. Zu oft wurde dieser Satz einfach nur dahin geseiert und das hat ihn irgendwie so klebrig gemacht. Eben unangenehm. Will man gar nicht mehr hören. Dabei stimmt´s!

Wenn ich mal kurz mein Leben als 2-Minuten-Spot vor meinem inneren Auge abspule, blinkt alle fünf Sekunden hektisch ein neongrüner „Hier-Pfeil“ auf. Macht also insgesamt 24 Ereignisse, bei denen der Fenster-Satz eine klare Daseinsberechtigung hatte. Ungefähr. Manche sind natürlich deutlicher als andere.

Zum Beispiel der Umstand, dass ich im zarten Alter von zwölf Jahren von meinem ersten Freund verlassen wurde. Was hab ich gelitten! Sascha war alles was sich mein kleines Mädchenherz damals gewünscht hatte – so cool, dass meine Eltern ihn niemals auch nur in meine Nähe gelassen hätten. Ich zog es deshalb vor den Kennenlernkaffee ausfallen zu lassen. Der Reiz des Verbotenen – der Klassiker. Strohblond, ein Jahr älter, die ersten fünf Barthaare stolz stehen lassend, Marlboro rauchend, durch die Schneidezähne rotzend, Erdbunker bauend und Nachbarjungs verhauend – ein Traumtyp. Rückblickend sprechen jedoch gewisse Details nicht unbedingt dafür, dass wir beide in eine strahlende Zukunft geschwebt wären. Aber ich war ja verliebt. Wie auch immer, diese Tür war zu. Das Fenster danach hieß Philipp. Danach Jojo. Danach Marc. Danach Norman... Alle auf ihre Weise eine Erfahrung wert.

Aus der Zeitferne betrachtet, war Sascha also weniger eine Tür, als eine schnöde kleine Kellerluke und der ein oder andere Nachfolger war weniger ein Fenster, als vielmehr ein Scheunentor. Und diese Erkenntnis lässt sich schließlich nicht nur auf die Liebesangelegenheiten übertragen.

Will sagen, das hatte alles schon seine Richtigkeit so. Sonst hießen meine Kinder jetzt wahrscheinlich Trixie und Kevin und ich würde in einem aparten Reihenhäuschen den ockerfarbenen Kacheltisch polieren und die BVB-Fahnen an der Wohnzimmerwand entstauben... Torschlussdank hoch zehn!

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Freitag, 14. November 2008
Spiegelmuffel
Heute oute ich mich offiziell als Spiegelmuffel. Ich schau wirklich nicht gerne hinein in diese glatte reflektierende Fläche, die ein mitunter sehr verstörendes Abbild der sich davor befindlichen Realität widergibt. Ich persönlich bevorzuge ja Milchglas. Das präsentiert wenigstens nur Schemen, ein angenehm verschwommenes Bild der Wirklichkeit. So bleibt einem selbst die großartige Freiheit negativ gezeichnete Realitätspartikel schöner zu phantasieren, einem werden lediglich kleine Denkanstöße geliefert, die man sich je nach Gutdünken zu einem großen, freundlich schimmernden Ganzen zusammenpuzzeln kann. Ein Heidenspaß!

Mal beide Hände aufs Herz, wollt ihr wirklich immer, dass die Wirklichkeit mit erhobenem spitzen Näschen und erhaben lächelnd (wie diese Neu-Muttis!) vor euch herumtänzelt? Vordergründig ist die Wirklichkeit vielleicht die gute Busenfreundin, die euch mit einem wohlmeinenden Knuff in die Seite auf den rechten Weg geleiten möchte. Doch warum fühlt sich dieser Knuff in unserem Inneren dann manchmal wie ein saftiger Butterknus an, der unseren empfindlichen Eingeweiden im Vollwaschgang den letzten Gleichgewichtssinn hinausschleudert?

Im Wesen der Wirklichkeit liegt es ja leider immer präsent zu sein. Das muss man ihr immerhin lassen, hartnäckig ist die Kleine. Ändert aber nichts an der Tatsache, dass wir je nach Tageszeit, Stimmungslage oder Lebensphase manchmal einfach nicht die nötige Contenance aufwenden können, bewusst Zeit mit ihr zu verbringen.

Denken wir doch einfach mal an den Klassiker. Der erste Blick in das haushaltsübliche, aluminiumbeschichtete Glasfabrikat über dem Waschbecken am Morgen danach. Wonach obliegt den persönlichen Gepflogenheiten. Dass es lang, viel oder übel war sei hier jedoch vorausgesetzt. Was sehen wir? Richtig, alles. Nur nicht das Individuum, für das wir uns vor dem „danach“ gehalten und das wir rein optisch zumindest in die Kategorie Mensch eingeordnet haben. Da haben wir nun den Salat. Ausnahmsweise geben wir dann nach unserer absolut notwendigen Körperpflege nicht dem natürlichen Drang nach, den warmfeuchten Duschdunst von der Spiegeloberfläche zu wischen. Mit schaut´s doch viel angenehmer aus, so milchig.

Den milchigtrüben Wahrnehmungszustand führen wir jedoch manchmal auch an anderer Stelle zwangsläufig herbei. Wissend, jedoch nicht unbedingt wollend. Manch eine Situation ist schlicht und ergreifend nicht für den erbarmungslos klaren Blick auf die realen Gegebenheiten geschaffen. Zu Grunde liegen häufig bewusste Entscheidungen für die Milchwirklichkeit und alles, was unser eigenes sanft-weißes Realitätsglas mit wahren Wirklichkeitsspritzern beflecken könnte, fällt der eigenen Ignoranz zum Opfer. Leider sind diese Spritzer nicht immer nur seelenlose Partikel, die sich mir nichts dir nichts wieder eindunsten lassen. Schwierig wird es, wenn diese Spritzer eigentlich menschliche Wesen sind, die versuchen unseren aufwändig gepflegten Milchspiegel frei zu wischen. Und wirklich schwierig wird es, wenn sie es gut meinen und zu allem Überfluss auch noch Recht haben.

Hier müssen wir uns entscheiden. Zücken wir selbst den Handtuchzipfel und wischen den milchigen Dunst von der Oberfläche, oder entscheiden wir uns dafür, noch ein klitzekleines bisschen im feuchtwarmen Zustand zu verweilen? Beide Wege erfordern für den ersten Schritt Überwindung. Doch auch, wenn wir uns für die zweite Variante entscheiden, ein paar Wirklichkeitsspritzer bleiben, die glänzende kleine Stellen freigelegt haben. Und die erinnern uns immer wieder aufs Neue daran, dass dieser Milchzustand nicht für die Ewigkeit bestimmt ist.


P.S. Dieser Wortdruck ist meinem persönlichen Spiegel gewidmet, den ich lange nicht von seinem Dunst befreien konnte. Zwar hat diese Aufgabe inzwischen jemand anderes erfüllt, doch mein eigenes Handtuch lag schon griffbereit. Manchmal habe ich es sogar schon in den Händen gehalten, nur um zu spüren, wie es sich anfühlt.

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Sonntag, 2. November 2008
Kampfkäse
Habt ihr schon mal darüber nachgedacht, dass man ständig irgendwelche Kämpfe austrägt? Kämpfe in allen schillernden Farben und Formen, ernsthaft oder mit Schalk im Nacken, lange und kurze, tiefgehende und oberflächliche. Immer wieder.

Zum Beispiel der allmorgendliche Kampf um die letzten freien Plätze in der proppevollen, vermuffelten Bahn, in der man sich gleichzeitig noch gegen die olfaktorischen Eigenheiten des schwitzenden Gegenübers und das rigorose Platzverteidigungsgebaren affektierter Neu-Muttis mit überdimensionalem Kinderwagen Marke Protz wehren muss. Letztere sind sowieso die Schlimmsten.

Selbsternannter Teil einer dauer-sanft-und-erhaben-lächelnden Elite-Verbindung, in die man bzw. frau nur aufgenommen wird, wenn frau ein Diplom in pränataler Prust-und-Keuch-Gymnastik und mindestens ein halbes Dutzend krebsrote, striemenhafte Kampfverletzungen auf (wahlweise schon erschlaffter oder noch proppeprall gefüllter) Brust und Bauch vorweisen kann. Körperliche Unversehrtheit führt automatisch zur Immatrikulationsablehnung. Wo käme man denn da hin? Aber das ist eigentlich ein ganz anderes Thema, dem ich mich vielleicht eines Tages noch ausführlicher widmen werde.

Was wollte ich nochmal sagen? Achja, die unelitären Otto-Normalverbraucher-Kämpfe. Den Bahn-Kampf hatten wir. Aber es gibt ja noch so viele mehr! Beispielsweise den Kampf mit dem Drogerie-Mini-Schirm, der vor dem plötzlichen Herbstorkan kapituliert (eigentlich ein Lüftchen, aber man gibt ja nicht gerne zu, dass man mal wieder die billige Variante der belastbaren vorgezogen hat). Oder den Straßen-Kampf gegen notorische Langsamgeher, die beim Überholversuch überraschend Haken schlagen. Ein Klassiker.

Sehr beliebt auch der Wecker-Kampf, der garantiert immer dann startet, wenn die innere Uhr noch im grenzkomatösen Takt tickt. Die Länge der Kampfhandlung wird dabei durch die individuelle Ignoranzfähigkeit und die Intensität durch das persönliche Aggressionspotential (Wecker küsst Wand) bestimmt. Das Gefühl des Triumphes ist galaktisch, wenn man dann nach längerem Hin-und Her-Gekämpfe (so leicht gibt man schließlich nicht auf!) erschöpft grinsend über dem geschändeten Plastikhaufen am Boden thront.

Doch dieses Gefühl währt blöderweise nicht lange. Denn man ist wach. Wach! Tolle Wurst. Genau das hat man schließlich mit allen menschlichen Kräften versucht zu bekämpfen! Und dann ist es auch schon so verflixt spät, dass bollernd das schlechte Gewissen an die Schädeldecke klopft. Um das Scheitern noch komplett (da ist es wieder!) zu machen, verhöhnt einen das ermordete Klingeldings mit hektisch blinkender Zeitanzeige (wir leben im digitalen Zeitalter) und die eigene Stresshormonproduktion ist unverzüglich auf Hochbetrieb gestellt. Guten Morgen!

Aber das ist ja nix gegen die wirklich tiefgehenden Kämpfe, die eher nicht alltäglichen. Die, die wirklich an die Substanz gehen. Die, die aus emotionalen Gründen einen so übermäßigen Wert besitzen, dass selbst eine nur mikroskopisch kleine Hoffnung auf einen siegreichen Ausgang ungeahnte Kräfte mobilisiert. Es sind die, die wie ein schwerer Käseklumpen im Magen kleben und ihr klebriges Fadennetz durch den ganzen Körper spinnen, so dass jeder Schritt irgendwann die dreifache Kraft kostet.
Die Kampfkäsefäden schlingen sich im Laufe des Gefechts allmählich um alle Zellen und beginnen wie ein gauda-gelb leuchtender Python den letzten Fitzel Energie aus ihnen heraus zu quetschen.

Doch das Heer der winzigen, übermächtigen Hoffnungspartikel kämpft mit allen zur Verfügung stehenden Waffen unerbittlich weiter, erfüllt mit Stolz und dem unerschütterlichen Glauben an den strahlenden Sieg. Wahre Helden eben. Nach und nach allerdings werden an der Front zunehmend Verwundete und gar Todesopfer beklagt, eroberte Territorien müssen aufgegeben werden, immer mehr Bataillone vermelden ihren Rückzug. In einem letzten Auflehnen gegen das Unvermeidliche reißen sich die verbliebenen Hoffnungskämpfer die zerfledderten Uniformen vom Leib, um den Gegner mit schonungsloser Selbstoffenbarung zu entwaffnen (Seelen-Striptease neuzeitlich). Ein ebenso verzweifelter wie sinnloser Akt. Denn der hoffnungsbekämpfende Käse-Python setzt zum letzten Würgegriff an – und siegt. Der Kampf ist verloren. Vorbei, finito, bums aus.

Was bleibt ist ein käsiger Nachgeschmack. Sonst ausfüllende Leere. Auf einer Scheißheitsskala definitiv ein Platz auf dem Treppchen!

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Mittwoch, 29. Oktober 2008
Wir müssen einfach anerkennen, dass wir alle hochgradig bekloppt sind.


Das war ein Satz unter vielen, heute Abend, in meiner mit Nikotinschwaden verschwummerten Küche. Ein Satz, der nicht einfach verpufft ist wie viele andere. Nee. Peng! Da war er nun.

Ein Satz, der lapidar aber mit Schmackes daherkam. Ein Satz, der es einfach mal auf den Punkt bringt ohne sülziges Drumherumgeseiere. Und ein Satz, der nicht aus meinen Gehirnwindungen durch das Sprachzentrum in meine Küche geschmissen wurde, sondern aus denen von meiner Freundin, um ehrlich zu sein. Obwohl ich zu gerne den allgemeinen Respekt für diese glorreiche Erkenntnis einheimsen und einen weiteren Haken auf meiner persönlichen Cleverness-Liste setzen würde. Mist.

Denn ich finde ihn clever, diesen Satz. Ein Satz, mit dem man die Verantwortlichkeit für falsche oder sich im Nachhinein als mega-unrichtig entpuppende, doofe, verwirrte Entscheidungen, die mindestens semi-geile und maximal komplett-beschissene Konsequenzen haben, einfach abstreifen kann. Man ist schließlich bekloppt. Gaga. Unzurechnungsfähig.

Mir gefällt das, zu denken die eigene Beklopptheit spricht einen von allen Anklagepunkten frei. Ist so bequem. Irgendwie kuscheligmuschelig. Könnt man sich glatt hineinlegen. Man muss sich das mal überlegen, quasi eine Universal-Entschuldigung für alles und jeden und immer. Denn es betrifft nicht nur uns arme Hascherl, meine Freundin und mich, die wir da um meinen verlotterten Kneipentisch hockten. Nee. Es ist eine Art gesellschaftsfähiges Defizit, keine peinliche mentale Missbildung eines Einzelnen. Wir sind also doch alle Brüder im vermurksten Geiste.

Und wenn man jetzt mal weiter denkt, kommt man zum Schluss zu einer weiteren ruhmreichen Erkenntnis. Alle depperten Geschichten der persönlichen Biographie hätten gar nicht anders laufen können, da die letzten funktionstüchtigen Hirnzellen, die die Ratio beherbergen, von dem dicken Beklopptheitsklops zermatscht wurden, der nach dieser Orgie das Steuer ergriffen hat. Eine höhere Gewalt sozusagen. Da sind einem die Hände gebunden.

Hach, wie wundervoll einfach das doch manchmal ist.

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