Die Denkfabrikantin - Wortdruck von Lotte Lorem
Kampfkäse
Habt ihr schon mal darüber nachgedacht, dass man ständig irgendwelche Kämpfe austrägt? Kämpfe in allen schillernden Farben und Formen, ernsthaft oder mit Schalk im Nacken, lange und kurze, tiefgehende und oberflächliche. Immer wieder.

Zum Beispiel der allmorgendliche Kampf um die letzten freien Plätze in der proppevollen, vermuffelten Bahn, in der man sich gleichzeitig noch gegen die olfaktorischen Eigenheiten des schwitzenden Gegenübers und das rigorose Platzverteidigungsgebaren affektierter Neu-Muttis mit überdimensionalem Kinderwagen Marke Protz wehren muss. Letztere sind sowieso die Schlimmsten.

Selbsternannter Teil einer dauer-sanft-und-erhaben-lächelnden Elite-Verbindung, in die man bzw. frau nur aufgenommen wird, wenn frau ein Diplom in pränataler Prust-und-Keuch-Gymnastik und mindestens ein halbes Dutzend krebsrote, striemenhafte Kampfverletzungen auf (wahlweise schon erschlaffter oder noch proppeprall gefüllter) Brust und Bauch vorweisen kann. Körperliche Unversehrtheit führt automatisch zur Immatrikulationsablehnung. Wo käme man denn da hin? Aber das ist eigentlich ein ganz anderes Thema, dem ich mich vielleicht eines Tages noch ausführlicher widmen werde.

Was wollte ich nochmal sagen? Achja, die unelitären Otto-Normalverbraucher-Kämpfe. Den Bahn-Kampf hatten wir. Aber es gibt ja noch so viele mehr! Beispielsweise den Kampf mit dem Drogerie-Mini-Schirm, der vor dem plötzlichen Herbstorkan kapituliert (eigentlich ein Lüftchen, aber man gibt ja nicht gerne zu, dass man mal wieder die billige Variante der belastbaren vorgezogen hat). Oder den Straßen-Kampf gegen notorische Langsamgeher, die beim Überholversuch überraschend Haken schlagen. Ein Klassiker.

Sehr beliebt auch der Wecker-Kampf, der garantiert immer dann startet, wenn die innere Uhr noch im grenzkomatösen Takt tickt. Die Länge der Kampfhandlung wird dabei durch die individuelle Ignoranzfähigkeit und die Intensität durch das persönliche Aggressionspotential (Wecker küsst Wand) bestimmt. Das Gefühl des Triumphes ist galaktisch, wenn man dann nach längerem Hin-und Her-Gekämpfe (so leicht gibt man schließlich nicht auf!) erschöpft grinsend über dem geschändeten Plastikhaufen am Boden thront.

Doch dieses Gefühl währt blöderweise nicht lange. Denn man ist wach. Wach! Tolle Wurst. Genau das hat man schließlich mit allen menschlichen Kräften versucht zu bekämpfen! Und dann ist es auch schon so verflixt spät, dass bollernd das schlechte Gewissen an die Schädeldecke klopft. Um das Scheitern noch komplett (da ist es wieder!) zu machen, verhöhnt einen das ermordete Klingeldings mit hektisch blinkender Zeitanzeige (wir leben im digitalen Zeitalter) und die eigene Stresshormonproduktion ist unverzüglich auf Hochbetrieb gestellt. Guten Morgen!

Aber das ist ja nix gegen die wirklich tiefgehenden Kämpfe, die eher nicht alltäglichen. Die, die wirklich an die Substanz gehen. Die, die aus emotionalen Gründen einen so übermäßigen Wert besitzen, dass selbst eine nur mikroskopisch kleine Hoffnung auf einen siegreichen Ausgang ungeahnte Kräfte mobilisiert. Es sind die, die wie ein schwerer Käseklumpen im Magen kleben und ihr klebriges Fadennetz durch den ganzen Körper spinnen, so dass jeder Schritt irgendwann die dreifache Kraft kostet.
Die Kampfkäsefäden schlingen sich im Laufe des Gefechts allmählich um alle Zellen und beginnen wie ein gauda-gelb leuchtender Python den letzten Fitzel Energie aus ihnen heraus zu quetschen.

Doch das Heer der winzigen, übermächtigen Hoffnungspartikel kämpft mit allen zur Verfügung stehenden Waffen unerbittlich weiter, erfüllt mit Stolz und dem unerschütterlichen Glauben an den strahlenden Sieg. Wahre Helden eben. Nach und nach allerdings werden an der Front zunehmend Verwundete und gar Todesopfer beklagt, eroberte Territorien müssen aufgegeben werden, immer mehr Bataillone vermelden ihren Rückzug. In einem letzten Auflehnen gegen das Unvermeidliche reißen sich die verbliebenen Hoffnungskämpfer die zerfledderten Uniformen vom Leib, um den Gegner mit schonungsloser Selbstoffenbarung zu entwaffnen (Seelen-Striptease neuzeitlich). Ein ebenso verzweifelter wie sinnloser Akt. Denn der hoffnungsbekämpfende Käse-Python setzt zum letzten Würgegriff an – und siegt. Der Kampf ist verloren. Vorbei, finito, bums aus.

Was bleibt ist ein käsiger Nachgeschmack. Sonst ausfüllende Leere. Auf einer Scheißheitsskala definitiv ein Platz auf dem Treppchen!

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pandora77, Di Nov 04, 2008, 01:15
Was hast Du gegen Käse? ;-)